Reise ins Ungewisse Teil 2

Horst schwieg einen Augenblick, der zur Unendlichkeit zu werden schien.
Sie stand da, sie streckte sich innerlich, sie genoss fast die Blicke dieses Mannes, der so schlicht gekleidet
war und sprach, und doch eine derartige Kraft ausstrahlte. Er lächelte sie an, schwieg. Sein Blick wanderte
über ihren Körper, der da ausgestreckt vor ihm stand. Sie hatte alle Muskeln angespannt, spürte die ledernen
Bänder um die Armgelenke, stand fast auf Zehenspitzen. Ihr Blick war fest auf seine Augen gerichtet, sie genoss
es.

„Ich bin. … bin frei, ich zu sein“ schoss es ihr durch den Kopf. Sie hatte natürlich schon viel gelesen in
diversen Magazinen über diesen modischen SM Krams, über Outfits, über Dominas und Sklavinnen (und Herren und
Knechte, wobei die Rolle von letzteren ihr immer… erbärmlich erschienen war – aber das wohl nur, weil sie
sich nicht hineindenken konnte).

Der Augenblick wurde zur Ewigkeit, während all diese Gedanken ihr durch den Kopf zogen. Was mochte nun mit ihr
geschehen? War dies überhaupt real oder nur ein weiterer Traum? Sie hatte genug Träume gehabt in letzter Zeit,
feuchte Träume, wild-romantische, aber auch genug Träume, die ihr Angst machten.
Das ist kein Dom, wie ich ihn mir vorgestellt habe – dieser Gedanke durchzuckte gerade ihren Kopf, als er knapp
sagte:
„Danke, meine Lieben. Ich glaube, ich möchte nun mit unserem neuen Vögelchen allein sein. Holt bitte Verena von
oben, ich glaube, sie amüsiert sich noch in ihrer Rolle als Lockvogel im goldenen Käfig. Sie soll herkommen –
gleich.“

Während alle schweigend den Raum verließen, zog er sich einen Hocker heran und setzte sich locker zwei Meter
vor ihr, schlug die Beine übereinander und fingerte eine Zigarettenpackung aus der Tasche.
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie nackt war und nass. Ihr Körper musste glänzen – es wäre ihr peinlich
gewesen, wenn die Situation nicht so überladen gewesen wäre mit Gefühlen und Anspannung.
Sie merkte aber auch, dass die Temperatur in dem Raum – trotz der weiten Halle und den schlichten Betonboden –
fast heiß zu nennen war. Oder wurde es immer wärmer? Wurde es nur ihr wärmer, oder stieg die Temperatur
tatsächlich?

Sie fühlte, während sich ihr Blick erneut auf Horst fixierte, der da vor ihr saß, ruhig und gelassen, und
seinen Blick erneut über ihren Körper schweifen ließ, wie Tropfen von Schweiß sich auf ihrer Haut bildeten und
begannen, über ihre Brust, ihrer Schenkel zu rinnen. Es war – nicht unangenehm. Er lächelte und hielt ihr die
Zigarettenpackung hin. „Wie er einer Dame in einer Bar Feuer geben würde“ dachte sie, fast belustigt. Sie
nickte jedoch hastig, schüttelte aber ihre Arme.

Als ob er vergessen hätte, dass sie hier fixiert war! Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, weil ihr
tatsächlich nicht einfiel, was sie nun sagen sollte. Er grinste.

„Sei ruhig, sonst müssen wir die einen Knebel geben – und dann kannst du nicht mehr diesem kleinen Laster
frönen. Du sollst eine haben, es wird nicht all zu viel geben, an dem du dich festhalten kannst, wenn Verena es
endlich geschafft hat, sich für dich fein zu machen“.

Er stand auf und kam auf sie zu. Seine Augen in die ihren gebohrt, zog er tief an seiner Zigarette und blies
ihr den Rauch ins Gesicht. Sie hustete und versuchte, den Kopf abzuwenden. Er stand jetzt direkt vor ihr, die
Zigarette im Mundwinkel, breitbeinig, nur wenige Zentimeter von ihrem Körper entfernt, der sich plötzlich so
schutzlos anfühlte, geöffnet, gezwungen.

Sie senkte den Kopf und schaute an ihm herab. Kein Zweifel, er war erregt, die Situation war auch für ihn nicht
ganz so entspannt, wie er den Anschein erweckte.

++ Schwanz fixiertes Luder ++, so hatte sie mal eine gute Freundin genannt, im Scherz… sie musste lachen,
trotz der Situation, in der sie sich befand. Sie erschrak und hob den Kopf, schaute in sein Gesicht, das direkt
vor ihr war. War es nur das? Wollte er sie nehmen, ganz platt? Einfach so?

Das wäre zu einfach gewesen. Nein, das wäre grausam gewesen, es hätte sie um den Schauder des Unbekannten
betrogen. Er lachte auf und nahm ihren Kopf in die Arme, als wenn er ihre Gedanken erraten hätte.
„Keine Angst, Kleine, wir haben einiges mit dir vor… ich glaube, es wird dir gefallen“.

Er nahm die Zigarette aus dem Mund, und drehte sie vorsichtig um, schob ihr den Filter sanft zwischen die
Lippen. Sie war – erleichtert. Warum eigentlich? Jedenfalls erleichtert. Sie saugte gierig, genoss die
Entspannung. Zwei, drei, vier tiefe Züge lang. Er schaute sie dabei fast liebevoll an. Dann hörte sie im
Hintergrund die schwere Stahltür gehen, er trat einen, dann zwei Schritte zurück.

„Ich will nichts hören! Zeig uns, dass du eine Frau bist…“

Sie war immer noch von seinen Augen fixiert, aber sie riss sich dann doch los, als er wieder auf seinem Hocker
Platz nahm, gelassen die Beine verschränkend und den Oberkörper zurück gelehnt. Sie zwang sich, zur Tür zu
sehen, durch die Verena eingetreten war. Ein überraschter Seufzer entwandt sich ihr. Verena sah einfach…
genial aus.

Sie trug hohe, schwarze Lederstiefel und die weiße, ausgestellte Reiterhose, aber ihr Oberkörper war völlig
nackt und glänzte, wie mit Fett eingerieben. Ihre Brüste… sie waren klein, wunderbar klein und fest, und die
Brustwarzen… standen steil vor gereckt. Ihre wundervollen, langen Haare hatte sie nach hinten zu einem
strengen Zopf geflochten.

Über den Augen trug sie wiederum eine schwarze Ledermaske, diesmal eine mit schmalen Augenschlitzen. Um die
Hüfte hatte sie einen Gürtel, an dem eine Stahlgerte und ein Messer funkelten. Unter dem Gürtel aber, schwarz
und glänzend, hatte sie sich einen Dildo umgeschnallt. Sie kannte diese Dinger, sie hatte schon mit Frauen
gespielt, die sie ihr gezeigt hatten, aber das war immer der Zeitpunkt gewesen, wo sie verweigert hatte. Sie
war keine Lesbe! Nie im Leben!

Sie fühlte, wie sich ihre Lustgrotte zusammen zog und verkrampfte, wie aber gleichzeitig eine heiße Lust in ihr
aufstieg und sie umnebelte. Das war die sanfte, wundervolle, blind ihr Schicksal erwartende Frau, die sie oben
in dem runden Raum im Obergeschoss des Turms fast geküsst hätte. War sie es? Oder war dies eine andere Verena?
Sicher. Diese Verena trug eine Gerte und ein Messer. Und sie war sicher nicht für Streichelspielchen gekommen.

Musste sie sie fürchten? Sie konnte es nicht. Sie sah immer noch die Sanftmütige in ihr. Die Sanftmütige, die
hier die Folterkammer betrat. Die Folterkammer, in der sie das Opferlamm war. Gefesselt an das Kreuz. Es war
eine Vorstellung …. von purer Geilheit… in ihrem Kopf. Nur in ihrem Kopf?

Sie warf den Kopf zurück und stöhnte ungewollt laut auf. Verena ließ sich Zeit, kam langsam mit wiegendem
Schritt näher, dann wandte sie sich kurz an Horst, wortlos. Horst nickte ihr aufmunternd zu.

„Ich sehe, du willst es unserem Gast besorgen… halte dir das bitte für den Schluss auf, zeig mir erst, ob du
sie zum Schreien bringen kannst“.

Unsere Heldin … sie war dabei, völlig zu vergessen, wo sie war. Verena kam langsam näher, interessiert, aber
doch wie unbeteiligt. Horst hatte sich wieder lässig auf seinen Hocker gefläzt. Verena fühlte sich gut… sehr
gut… sie war diejenige in diesem Kreis, die sich ganz auf das Spiel konzentrieren konnte.

Alle anderen hatten nebenbei ihren Job zu tun, hatten nach außen zu wirken… nur sie hatte alle Freiheiten,
sich gehen zu lassen. Kurz dachte sie daran zurück, wie Horst, ihr damaliger Chef, sie erhört hatte – sie, die
sie gar nie dran gedacht hatte, jemals unter seinen Augen zu bestehen – und sie einer langen, teils qualvollen,
aber immer lustvollen Schulung unterworfen hatte.

Sie immer mehr aus ihrem langweiligen Leben als Sekretärin herausgeführt hatte.

Eine Zeit hatte sie das Leben einer Edelhure geführt. Es hatte ihr gefallen, sie hatte viel gelernt. Sie hatte
sogar Geld – viel Geld – eingefahren, das sich nun auf einem beruhigend gut gefüllten Konto darauf freute,
ihren Lebensabend zu versüßen.

Dann hatte Horst sie in den „Innendienst“ zurückgeholt… in diesen eigenartigen Verbund aus Firmen, die er da
sein eigen nannte, und die sich mit futurologischen Dingen wie virtueller Existenz, das Bewusstsein umbildenden
Chemikalien beschäftigten – aber auch, wie sie erfahren hatte, als er sich ihrer ganz sicher sein konnte – mit
trivialem wie modernem Menschenhandel. Sie hatte den Vorteil – den großen, begnadeten Vorteil – sich über
wirklich nichts Gedanken machen zu müssen.

Und so hatte sie auch aufgehört, jegliche Art von Skrupeln oder diesen quälenden Gedanken zu verfallen, die sie
früher so oft heimgesucht hatten. Dabei hatten sicher auch die Spritzen beigetragen, die ihr die gute Frau
Linkenhorst einmal am Tag ins Hinterteil jagte – Frau Linkenhorst, die nun die perfekte, altertümliche
Chefsekretärin gab, die sich mit alldem aus kannte und früher einmal als Krankenschwester ihre Brötchen
verdient hatte, bevor Horst sie ins Boot geholt hatte…

Sie blieb stehen und betrachtete ihr heutiges Opfer. Das hatte ihr Horst beigebracht – langsam, ganz langsam
und behutsam vorzugehen. Die geilen Gedanken, die Lust umzuwandeln in einen ruhigen Film, der da vor ihren
Augen ab lief, sich herauszunehmen, sich selber da stehen zu sehen in der Beziehung zu jener gespreizten,
offenen Frau, die da am Kreuz hing.

Ja, die Gedanken sortieren. Heute war offenbar der Tag, an dem sie über alles und jedes nachdachte. Aber sie
wusste, es war ok. Horst… Horst würde wahrscheinlich (sicher konnte man sich da nie sein!) ihr selber auch
die Gnade seiner Gunstbezeugung erweisen, wenn sie mit dieser Frau hier fertig wäre… er liebte es, den
Folterknecht am Ende selber zu belohnen, sei sie es oder einer der Kerle, die sich da so lederbetont gaben…
und dann war da noch Petra.

Petra, deren Aufgabe es war, immer neue Opfer in dieses perfide Gewirr aus Firma, Bordell oder Verhörzentrum zu
locken, das aus jeder Sichtweise anders war, das ein Chamäleon war, wie Horst es nannte.

Sie schluckte und war sich plötzlich seiner Zuneigung gar nicht mehr wirklich sicher. Aber das war sie oft
nicht. Das war sie nur dann, wenn er sie züchtigte. Und das wusste wiederum er genau. Nein, fuhr es ihr durch
den Kopf, sie war sich Gegenteil sogar sicher, dass es da bei Ihm gar keine Zuneigung gab, dass er sie alle als
Werkzeug benutzte, und wie ein stumpf gewordenes Werkzeug wegwerfen würde, wenn sie nicht mehr funktionierte.
Aber nun… nun aber musste sie erst einmal die unberührbare, brutale spielen. und sie würde spielen, wie so
oft.

Nie konnte sie unterscheiden, wann es Spiel war und wann Ernst. Nein, es gab gar keinen Ernst. Auch das sicher,
schoss es ihr durch den Kopf, eine Folge der Drogen. Aber das machte ihr Angst. Und ehe die Angst sie wirklich
fort tragen konnte, griff sie sich mit beiden Händen an ihren Hals, so als ob sie sich den Nacken massieren
wolle, und fand den Druckpunkt für das „Device“ in ihrer Schulter.

Eine Welle von Schmerz durchzuckte sie, dann spürte sie die Entspannung und die Welle von Leichtigkeit, die sie
durchlief wie ein Schauer. die Frau dort am Kreuz sollte schreien? Sie würde schreien, und ihre Würde
verlieren. Genau wie gewünscht.

Sie öffnete die Augen und musterte den Körper dort am Kreuz wieder mit sachlichem Interesse. Die Frau hatte
immer noch die Augen geschlossen und reckte ihr Becken vor, verlangend, in unbändiger Ungeduld erwartend.
Sie würde bekommen, was sie verdiente.

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