Was geschah hier nur mit ihr? Warum ließ sie das zu, gestattete ihm, so Hand an sie zu legen? Noch vor wenigen Minuten saßen sie eng aneinander gekuschelt auf der Couch und planten das Wochenende, an dem sie sich mit Freunden treffen wollten. Sie hatte eine lange, ziemlich stressige Arbeitswoche hinter sich, in der sie mehr geleistet hatte, als man ihr bezahlen würde. Sie konnte wieder einmal nicht nein sagen und so hatte sie einen Riesenberg Arbeit zu bewältigen, hinter dem auch noch Termine standen. Nun fiel dieser Stress langsam von ihr ab und sie konnte sich endlich entspannen. Dampfender Kaffee stand vor ihnen und sie hatte eine Kerze angezündet, um ein wenig Atmosphäre in den Raum zu zaubern, jetzt, wo die Tage kurz und die Nächte lang waren. Sie schwiegen, lauschten der sanften Musik Enyas und jeder träumte vor sich hin. Sie mochte das, fühlte sich gerade dann so richtig geborgen, wenn sie sich nah bei ihm wusste und keine Worte mehr nötig waren. Gedankenverloren hatte er seinen Arm um sie gelegt und sein Daumen streichelte sanft über die zarte Haut ihres Halses. Sie hatte die Augen geschlossen ganz an den Augenblick verloren. Aus den Boxen klang nun „After Dark“ von Tito und Tarantula. Sie begann leise mitzusingen, gehörte es doch zu ihren Lieblingsliedern. Langsam kehrte Frieden in sie ein und sie konnte endlich diese Woche hinter sich lassen. Nun war sie wieder ganz bei ihm angekommen und sie fühlte, wie sich ihre Sinne mehr und mehr auf ihn konzentrierten. Noch immer hielt er sie, nun etwas fester. Sie roch sein herbes After Shave, das sich mit dem Geruch seiner Haut mischte, den sie so sehr mochte. Sein Atem ging ruhig und sie spürte ihn in ihrem Haar. Mit einem festen Griff zog er sie näher zu sich, sodass sich ihr warmer Körper gegen den seinen presste.
„Zieh dich aus, meine Kleine“, sagte er ganz leise, doch es waren Worte, die wie eine Bombe in ihre Seelenlandschaft einschlugen. Sie erschauderte, gehorchte ihm, indem sie sich fast ein wenig widerwillig von ihm löste und aufstand. In ihrer ganz eigenen weichen, sinnlichen Art begann sie nun, sich ihrer Sachen zu entledigen, bis sie nackt vor ihm stand. Wohlwollend betrachtete er ihre zierliche Gestalt, die doch an den richtigen Stellen ihre Rundungen hatten. Ihr langes Haar floss über ihren Rücken und umspielte ihre Schultern. Das Kerzenlicht ließ ihre Haut schimmern. Ja, sie war schön, hatte in diesem Moment etwas Engelhaftes an sich, das sie fast unberührbar machte. Er war stolz, dass sie sich gerade ihm schenkte
Er stand auf und trat hinter sie. Sie spürte seine Wärme, seine Nähe und hätte sich gern an ihn geschmiegt. Doch eine leise Stimme in ihr sagte ihr, dass das jetzt nicht angebracht wäre. Sie wusste, er würde sie nun wieder körperlich in Besitz nehmen, dabei ihren Geist fesseln. Kein anderer hatte das je so intensiv vermocht wie er, zu dem sie großes Vertrauen besaß. Und obwohl ihr Herzschlag sich bereits beschleunigt hatte, ging ihr Atem doch ruhig und gleichmäßig.
„Meine Kleine, bis jetzt habe ich dich immer mit Seilen gefesselt. Ich weiß, dass du sie liebst, dass du es genießt, von ihnen in Wehrlosigkeit gehalten zu werden.“
„Ja, mein Herr, sie sind weich und doch so unnachgiebig. Sie geben mir die Freiheit mich fallenlassen zu können“, antwortete sie ihm und ein erstes leises Beben war in ihrer Stimme zu hören.
„Heute werde ich dich anders fesseln und es wird eine neue Erfahrung für dich sein. Lass dich einfach fallen, so wie du das immer machst. Vertrau mir, dann wirst du genießen können.“ Mit diesen Worten legte sich schwarze Seide über ihre Augen, die er in ihrem Nacken zu einem festen Knoten band. Nichts konnte sie nun von ihrem Fühlen mehr ablenken und nur das Wissen, dass er bei ihr war, gab ihr Halt und die Stärke, sich auf das einzulassen, was da auf sie zukommen mochte. Mit sanftem Druck drängte er sie tiefer in den Raum hinein, dort, wo er vor wenigen Wochen Haken an der Decke und an den Wänden knapp über dem Fußboden angebracht hatte. Er löste sich von ihr und sie lauschte auf die Geräusche um sich. Eine Schranktür wurde geöffnet und sie hörte das harte Klirren, wenn Metall auf Metall stößt. Er kam wieder zu ihr und seine warme Hand legte sich zwischen ihre Schulterblätter, spielte kurz mit einer Strähne ihres langen Haares und streichelte dann über die Linie ihrer Wirbelsäule bis hinab zu ihren Lenden. Dann legte sich etwas Eiskaltes um ihren Körper, sodass sie erschrocken Luft holte und dem ausweichen wollte. Sofort fröstelte sie. Der kalte Stahl der Kette, die ihr Herr in seinen Händen hielt, stand in heftigem Kontrast zur Weichheit, zur Zartheit und zur Wärme ihres Körpers.
`Das meinte er also damit, dass mich heute keine Seile fesseln würden`, dachte sie. Sie konzentrierte sich auf das Gefühl, das die kalten Kettenglieder in ihr auslösten. Noch war sie nicht gefesselt und doch tauchte sie bereits jetzt in diese ihre besondere Welt der Sinne und der Sinnlichkeit ein.
„Ja, meine Kleine, heute werden dich Ketten halten. Und um ihre Unnachgiebigkeit noch zu betonen, werde ich sie nicht einfach mit Karabinerhaken verbinden, sondern Teil für Teil mit kleinen Schlössern versehen, zu deren Schlüssel nur ich Zugriff habe.“
Nun schlug ihr Herz heftiger. Mit Staunen spürte sie, wie sie diese Situation erregte. Er nahm nun diese Kette, die er zuvor über ihren Körper hatte wandern lassen, und verband sie mit dem Ring an einer ihrer Handmanschetten. Unbarmherzig wurde ihr Arm nun nach oben gezogen und sie hörte das Klicken, als er die Kette am Deckenhaken befestigte. Genauso verfuhr er mit ihrem anderen Arm und schon jetzt war sie ihm ausgeliefert, konnte nicht mehr weg. Mit ihren Händen suchte sie Halt an den Ketten, die sich über ihr spannten. Sie ergriff sie und war erstaunt, dass es doch eher kleine Kettenglieder waren. Sie hatte angenommen, dass es große, feste Ketten waren, die fast schon ein wenig mittelalterlich und brutal anmuteten. Doch sie wusste auch, dass ihr Herr ein Ästhet war. Schwere Ketten hätten nicht zu ihr gepasst, hätten wahrscheinlich ihren zierlichen Körper erschlagen. Wieder hörte sie das Klirren von Ketten. Er bedeutete ihr, die Beine zu spreizen, und kettete auch diese an die Haken an den Wänden.
So stand sie nun, nackt, wehrlos, fest gespannt und gehalten durch seine Ketten. Er hatte sich zurückgezogen. Sie ahnte, dass er irgendwo hier im Zimmer war, um sie zu beobachten. Sie wartete und dabei begannen ihre Gedanken zu kreisen. Schon begann sie, ihr Zeitgefühl zu verlieren, sodass sie in eine Art Schwebezustand geriet, in dem sich alles Sein nur noch auf ihr Fühlen konzentrierte. Wie lange stand sie nun schon so? Waren es Sekunden? Minuten? Stunden? Sie wusste es nicht mehr und es wurde auch unwichtig. Noch immer umfassten ihre Finger die Ketten über ihr. Sie fühlte die Kettenglieder, den harten, kalten Stahl, der sich durch ihre Berührung langsam erwärmte, sie damit wärmte und ihr den Funken der Leidenschaft entzündete. Glied für Glied fesselten und bannten sie sie an diesen Augenblick. Glied für Glied auch befreite sie von den Fesseln, die ihr das tägliche Leben, all die Verpflichtungen und die Erwartungen anderer an sie angelegt hatten. Sie fühlte sich frei und in diesem weiten Gefühl öffnete sich die Knospe ihrer Liebe zu ihrem Herrn wieder ein Stückchen weiter. Dieser harte und kalte Stahl ließ sie erglühen und weich werden, wurde für sie Sinnbild für ihr Leben, in dem sich Glied für Glied fügte, bis sie hier angekommen war in der Geborgenheit und Sicherheit, die ihr Herr für sie durch seine Liebe zu ihr schuf.
Aus diesem tiefen Gefühl heraus löste sich eine Träne aus ihren Augen und versickerte in der Seide der Augenbinde. „Ich danke dir, mein Herr“, sagte sie leise und fühlte, wie sich seine Arme um ihren gespannten Körper legten. Nun konnte nichts und niemand ihr noch etwas anhaben. Er gab ihr die Stärke, sich dem zu stellen, was immer er nun von ihr fordern würde. Er gab ihr die Kraft, sich zu geben, ganz zu geben und zu fühlen, dass durch ihre Hingabe auch die seine an sie möglich wurde.
Mit sanfter Stimme, in der doch so viel Kraft lag, fragte er sie: „Bist du bereit?“ Und sie konnte nur nicken …