Im Netz der Meister

Ich stelle das Gepäck ab, du hilfst mir aus dem Mantel. Ein wenig verloren stehe ich in der Diele, weiß nicht, wohin ich gehen und schauen soll. Du stellst dich hinter mich. Ich erkenne deinen Geruch wieder. Er erregt mich sehr. Dein Atem an meinem Hals, deine Hände auf meinen Brüsten. Ich atme tief ein, schließe die Augen, genieße diesen Moment und bilde mir ein, es sei ein liebevoller Augenblick.

Du schiebst mich ins Wohnzimmer, zeigst auf das Ledersofa, ich setze mich hin, du holst Gläser und Rotwein, schaltest Musik an. Ein wenig reden, dieses Lächeln in deinem Gesicht, das mich sofort umgehauen hat, als du in der Livin’ Lounge zum ersten Mal vor mir standest. Ist das erst drei Wochen her? Du hattest die Hände auch damals in den Hosentaschen, den Kopf leicht schief gelegt und hast mich lächelnd gemustert. Arrogant lächelnd. Ich liebe Arroganz bei Männern.

Höchste Gefahr!, hat mein Verstand signalisiert und mein Bauch hat geantwortet: Ja. Höchste Gefahr. Endlich.

Instinktiv wusste ich, dass es eine wichtige Begegnung war. Du hast mein Sicherheitssystem sofort außer Kraft gesetzt. Es hatte viele Jahre lang niemanden wirklich nah an mich herangelassen. Heute ist es einfach nicht mehr da.

»Steh auf und heb deinen Rock hoch. Ich will deinen Arsch sehen.«

Der Kostümrock ist eng, ich schiebe ihn so weit nach oben, wie es geht.

»Dein Arsch hängt. Du solltest was dagegen tun.«

Du Sau, denke ich, ich bin vierzig, für meinen Arsch kann ich nichts. Und ich sage leise »Ja.«

Ich bin wütend, weil ich weiß, dass du Recht hast. Mein Hintern ist die optische Schwachstelle.

»Setz dich und leg dein Bein hier rüber.«

Ich sitze, zu dir gewandt auf dem Sofa, mein linkes Bein über die Lehne gelegt. Ja, den Griff kenne ich. Du willst sehen, ob ich geil auf dich bin.

Ich bin es. Maßlos.

Deine Handbewegung sagt mir, dass ich aufstehen soll. Du schiebst mich durch die offene Schlafzimmertür. Links neben dem Bett liegt ein großes, quadratisches schwarzes Kissen. Es sieht aus wie eine Hundedecke. Du zeigst darauf. »Da, meine Liebe, wird dein Platz sein.«

Ich nicke stumm. Jetzt rast mein Herz.

Du zeigst auf die Wand, auf die metallenen Haken, die darin befestigt sind.

»Und da, meine Liebe, wirst du hängen.«

Ich schlucke, atme schwer. »Ja.« Mehr kann ich nicht sagen.

Es macht mich scharf. So einfach ist das.

Du schiebst mich zu der schwarzen Decke.

»Hinknien.« Ja.

»Den Arsch hoch!« Ja.

»Höher, und Haltung!« Ja.

Ich schreie leise auf, als ich den Hieb mit dem Rohrstück spüre.

»Du wirst meinen Rohrstock spüren. Oft, heftig.«

Du hast es mir geschrieben. Ich habe es gewusst.

Der zweite Schlag brennt grausam, und ich beiße die Lippen zusammen. Ich höre, dass du weggehst, richte mich auf. Eiskalt klingt deine Stimme jetzt, als du mir befiehlst, mich wieder hinzuhocken. Mit nacktem, erhobenem Hintern kauere ich auf der Hundedecke, den Kopf auf dem Boden. Ich versuche zu sehen, was du tust.

»Mach deine Augen zu.« Ja.

Es sind Klammern, feste, kalte Klammern, die du routiniert befestigst. Sie sind mit einer Kette verbunden. Ich kenne diesen Schmerz. Ich mag ihn.

Du hängst irgendetwas Schweres in die Kette, das Gewicht reißt an meiner Haut, und ich stöhne.

»Ruhe!« Ja.

Ein Hieb. Noch einer.

Es dauert ewig, bis du zurückkommst. Meine Gedanken rasen ebenso schnell wie mein Herz. Das habe ich gewollt. Ich habe gewollt, dass mir jemand begegnet, dem ich nicht gewachsen bin.

Irgendwann löst du die Klammern wieder, schickst mich ins Wohnzimmer.

Wir trinken ein Glas Rotwein. Die Flasche war es, die in den Ketten hing.

»Geh ins Bad und schmink dich. Wir gehen essen.« Ja.

Ich schaue in den Spiegel. Ich kenne diesen Ausdruck in meinen Augen, sie glänzen, als hätte ich Fieber. Meine Wangen glühen, meine Lippen sind feucht. Kajal, Lippenstift, Haare ordnen. Ich sehe dich im Spiegel neben mir stehen.

»Bist du zufrieden?«, fragst du und es klingt spöttisch.

»Ja.«

»Dann können wir ja gehen.«

Du hast einen Tisch beim Italiener bestellt, nichts Besonderes, aber das Essen ist gut. Ich fühle mich wohl in deiner Gegenwart, und wir plaudern über dies und das, als hätte es die Situation auf der Hundedecke nie gegeben. Du erzählst viel von dir, ich höre aufmerksam zu, versuche zu erkennen, was sich hinter deinen Sätzen verbirgt. Irgendetwas ist inkongruent, passt nicht zusammen. Was bist du für ein Mensch? Dein Gesicht verrät Verbitterung, und deine Miene wirkt spöttisch, verachtend. Nur wenn du lächelst, wird es weich und sanft. Du trägst eine Maske – wann? Eben? Oder jetzt?

Zwei Stunden später sind wir wieder in deiner Wohnung, trinken Wein, rauchen.

Die Atmosphäre ist gelöst und spannungsgeladen zugleich. Ich ahne noch nicht, dass ich gleich Ewigkeiten auf der schwarzen Decke kauern werde, dass mir zehn, zwanzig Hiebe mit dem Rohrstock bevorstehen, die ich kaum aushalten werde. Du sitzt auf der Bettkante.

»Komm hierher.« Ja.

Du öffnest den Reißverschluss deiner Hose.

Sein Anblick verschlägt mir wieder die Sprache, er ist groß. Ich bin glücklich. Ich werde es tun dürfen, gleich. Lächelnd schaue ich in deine Augen. Sie sind kalt.

»Ach? Lächeln wir ein bisschen? Ist das hier eine lustige Situation?«

Rechts. Links. Du schlägst mir ins Gesicht.

Ich weiß, dass du das für mich tust. Ich habe dir gesagt, was Schläge ins Gesicht für mich bedeuten. Es ist die absolute Nähe. Ich senke meinen Blick und lächle wieder. Vor Glück vielleicht?

Deine Hand unter meinem Kinn zwingt mich, dir in die Augen zu sehen.

Schläge. Rechts. Links. Mit dem Handrücken. Rechts.

Jeder Schlag bewirkt eine Kontraktion in meinem Unterleib. Links. Mein Kopf fliegt nicht nach hinten, du hältst ihn fest. Rechts.

Du weißt, was du tust. Ich vertraue dir.

»Wenn du glaubst, dass du hier dein Spiel durchziehen kannst, dann täuschst du dich!«

Rechts und links.

»In deine Ecke. Auf allen vieren.«

Der harte Holzboden schmerzt an den Knien. Der Rohrstock saust erbarmungslos auf meinen Arsch.

»Zehn Mal, meine Liebe.«

Zwei. Drei.

»Ich höre nichts! Du zählst nicht, du bedankst dich nicht?«

»Vier. Danke. Fünf. Danke. Sechs. Danke.«

Ich bin froh, dass du weißt, was du willst. Dass du mich durchschaut hast und mich in meine Schranken weist. Dass du so stark bist. Jeden Schlag genieße ich, obwohl der Schmerz kaum zu ertragen ist.

Pause. Eine Minute lang oder zwei. Du gehst weg, kommst wieder und klatschst mir einen Eisbeutel zwischen die Beine. Erleichtert atme ich auf. Es lindert den Schmerz, beruhigt meinen Puls. Danke, ich danke dir für deine Fürsorge.

Bis die nächsten Schläge kommen. Auf der eiskalten Haut sind sie unerträglich. Ich schreie auf vor Schreck, Schmerz und Enttäuschung darüber, dass es keine Fürsorge war.

»Ruhe! Habe ich nicht gesagt, dass ich nichts hören will?«

Tränen laufen über meine Wangen. Du siehst sie nicht. Du sitzt wieder auf der Bettkante. Auf allen vieren krieche ich zu dir, hocke zwischen deinen Beinen. Du nimmst ein breites Lederhalsband und legst es mir um. Ich zittere. Das Halsband. Endlich. Es ist so breit, dass ich meinen Kopf kaum senken kann. Und ich tue es trotzdem, als du ihn an den Haaren nach unten drückst.

»Dort siehst du hin! Und nirgends anders!«, sagst du und zeigst auf den Boden. Ich senke meinen Blick, schließe die Augen halb, sehe deine Hände, als du die Kette am Halsband befestigst. Gänsehaut.

Die Kette fällt rasselnd zu Boden. Du zeigst auf deine Socken, deine Hose.

»Ausziehen.«

Mit zitternden Händen ziehe ich dir deine Socken aus, deine Hose, halte sie unbeholfen in der Hand, den Kopf gesenkt. Ich wage nicht, dich anzusehen.

»Worauf wartest du? Leg sie zusammen, Schlampe. Oder bist du dazu auch zu blöd?«

Meine Wangen brennen. Ich weiß nicht, ob von den Ohrfeigen oder vor Scham. Ich lege deine Hose zusammen, natürlich mache ich es falsch.

»Ab in deine Ecke!«

Oh nein, mein Hintern tut schon so weh, mehr Schläge halte ich nicht aus. Doch, ich halte sie aus. Ich will sie aushalten, um deinetwillen. Ich will. Ich will, dass du deine Macht genießen kannst, will, dass es dir gefällt, dass es dir gut geht.

Ich weiß nicht, wie oft ich den Rohrstock spüre, bevor du mich an der Kette hinter herziehst. Wie eine Hündin, auf allen vieren, folge ich dir. Ich hasse es. Nein, ich hasse es nicht. Ich schäme mich dafür, dass es mir gefällt, und ich will es nicht zeigen.

Du setzt dich aufs Sofa, weist mich an, mich auf den Rücken vor deine Füße zu legen. Die Kette fällt mit einem Rasseln auf den Holzfußboden.

»Mach die Augen zu.« Ja.

Ich höre das Klicken deines Feuerzeuges, rieche den Rauch des Zigarillos. Ich versuche, mich zu entspannen, meine Haut brennt wie Feuer, mein Arsch, mein Rücken, meine Schenkel fühlen sich an wie offenes Fleisch.

Dein Fuß auf meinem Bauch. Ja. Das habe ich gewollt. Dass du von mir Besitz ergreifst. Ich atme ganz ruhig, genieße den Glücksmoment, will ihn festhalten. Auch als du die heiße Asche deines Zigarillos auf meinen Bauch schnippst, bin ich ganz ruhig. Erst als ich die Glut dicht an meinen Brustwarzen spüre, öffne ich die Augen und schreie auf. Angst. Nein, Panik.

Deine Stimme ist so kalt wie dein Blick. »Ruhig! Ich weiß, was ich tue!«

Natürlich. Du hast ja Recht. Du wirst mir nicht wirklich schaden wollen. Dankbar entspanne ich mich. Zucke nur leicht zusammen, als du mir auf den Bauch spuckst. Nein, das demütigt mich nicht, das nicht. Du verschmierst die Asche deines Zigarillos mit deinem Speichel auf meinem Bauch. Ich fühle die Wärme in deinen Händen. Sehnsucht nach Nähe, jetzt, Leidenschaft, Gefühl … bitte.

Du stehst auf und ziehst mich an der Kette ins Schlafzimmer zurück. Auf allen vieren, wieder. Ich soll mich aufs Bett knien. Ja.

»Den Arsch hoch!« Ja.

Du gehst, kommst wieder, inzwischen habe ich kein Gefühl mehr für Zeit, Umgebung und für mich. Ich fühle nur noch, lasse geschehen, denke nicht mehr. Alle Verlogenheit des Alltags ist verschwunden.

Deine Hand prüfend, fordernd, in mir. Nein, das macht mir nichts aus, dass du mir irgendetwas Großes tief und tiefer hineinschiebst. Ich lächle heimlich, mit geschlossenen Augen. Ich weiß nicht, was es ist, was du genau tust. Es ist auch nicht wichtig.

Du gehst weg, ich verharre in dieser Stellung. Kniend, auf dem Bett, meinen Hintern und das, was darin steckt, breitbeinig präsentierend. Es dauert nicht lange. Es ist grausam, meine zuckenden Muskeln unter Kontrolle zu behalten, damit ich das, was in mir steckt, nicht verliere.

Irgendwann liegen wir nebeneinander.

»Möchtest du rauchen?«, fragst du.

Ja, gerne.

»Hol deine Zigaretten. Sie liegen im Wohnzimmer auf dem Tisch.«

Danke. Ich stehe auf, will hinübergehen.

»Auf allen vieren!«, schreist du.

Ich atme tief durch. Nein, jetzt bitte nicht. Meine Knie tun weh. Es ist entwürdigend. Ich schaue dich mit wütendem Blick an. Blitzschnell stehst du neben mir, hältst den Rohrstock in der Hand.

»Was ist das für ein Blick? In deine Ecke! Sofort!«

Der Rohrstock trifft meine Schenkel, meine Schultern, meinen Rücken und meinen Arsch, als ich wieder auf allen vieren bin.

Warum habe ich nicht gehorcht?, denke ich, als wieder wie ein Köter in der Ecke kauere. Ich bin selbst schuld. Ich muss gehorsam sein. Ich werde nicht mein Spiel spielen, sondern deines.

Ich bin stolz und glücklich, dass ich später neben dir liegen und rauchen darf. Hättest du befohlen, mich vor das Bett zu legen, hätte ich es getan. Natürlich.

Ich muss zur Toilette. Ich frage, ob ich gehen darf.

»Sicher«, sagst du. »Aber auf allen vieren.«

Ich krieche ins Bad. Und wieder zurück. Klettere auf das Bett. Ich wünsche mir Nähe. So sehr. Am liebsten würde ich jetzt kuscheln.

Ich habe nichts zu wollen.

So ist es gut und so habe ich es gewollt. So? Wirklich so?

Ich hocke in dieser Nacht noch oft auf der Hundedecke. Spüre den Rohrstock. Die Peitsche ist dagegen gnädig.

Irgendwann liegst du auf dem Rücken und befiehlst mir, ihn in den Mund zu nehmen. Sofort tue ich, was du befiehlst.

»Mach es vernünftig. Mund drüber und gut – so machen es alle. Meine Güte. Ich will spüren, dass es dir Spaß macht.«

Mir wird eiskalt. Mein Gott, ist das peinlich. Ich schäme mich. Ich mache es nicht gut genug. Dabei will ich, dass es dir gut geht. Du hast mir so viel Aufmerksamkeit geschenkt, es ist meine Pflicht, dass es dir gut geht. Meine Tränen laufen, während ich weiter mache. Du schiebst meinen Kopf weg. Mein Herz bleibt gleich stehen. Ich kann es nicht! Es hat dir nicht gefallen. Ich sehe in dein Gesicht. In deinen Augen ist nichts zu lesen außer Verachtung, kalter Verachtung. In diesem Moment schießt mir ein Gedanke durch den Kopf, der den weiteren Verlauf der Nacht bestimmen wird: Es geht hier nicht um mich. Nicht einen Moment geht es um mich. Ich bin für dich keine Person, kein Mensch. Ich bin ein Symbol für alles, was du hasst. Und dafür lässt du mich büßen. Geringschätzung und Unerbittlichkeit lese ich in deinen Augen. Keinen Respekt, keine Liebe für den Moment meiner Hingabe. Wie könnte ich sie leben, diese Hingabe, die ich mir so sehr wünsche, wenn nicht mit starken Gefühlen?

Ich will hier raus. Ich will nach Hause. Und ich weiß, dass ich hier nicht rauskomme. Es ist zwei Uhr morgens, es fährt kein Zug und überhaupt weiß ich nicht mal, welche Adresse das hier ist. Ich muss durchhalten. Das Beste draus machen und sehen, dass ich unverletzt hier rauskomme. Wenigstens körperlich unverletzt. Um meine Seele werde ich mich später kümmern müssen. Mein Verstand ist wieder da. Die großen Emotionen sind weg. Ich bin wieder kopfgesteuert.

Du greifst in die Schublade, holst Ledermanschetten heraus. Befestigst sie an meinen Handgelenken und an meinen Fesseln, gibst mir eine Augenbinde.

»Leg sie an.« Ja.

»Steh auf. Geh bis zur Wand. Stell dich breitbeinig hin.« Ja.

»Dein Arsch ist schlaff. Wenn du nichts dagegen tust, kannst du dich in zwei Jahren nicht mehr so hinstellen.« Ja.

»Spann die Muskeln im Arsch an.« Ja.

»Bah. Es sieht hässlich aus.« Ja.

»Dreh dich um.« Ja.

»Du hast eine gute Figur.«

Danke. Danke, danke.

»Für dein Alter.« Ja.

Du ziehst Seile durch die Ösen der Manschetten, hängst mich an der Wand auf, breitarmig, breitbeinig. Du machst es so, dass ich keinen Halt habe, meine Füße rutschen weg, ich hänge mit meinem ganzen Gewicht nur in den Handfesseln. So geht das doch nicht! Angst. Es reißt an meinen Gelenken, ich rutsche und falle, und nur meine Arme halten mich. Ich höre dein spöttisches Lachen. Ich will hier raus!

Ich kämpfe und tobe in den Seilen. Sie schneiden in meine Haut, ich werde immer schwerer, meine Füße gleiten auf dem glatten Boden nach rechts und links. Meine Muskeln und Sehnen werden reißen. Sie können mein Gewicht nicht tragen.

Ich will hier raus! Bitte, bitte, gib mir Halt, so kann ich es nicht aushalten!

»Nein? Du kannst es nicht aushalten?«

Nein. Du rauchst, ich rieche es. Du isst etwas. Ich höre es.

Nach dieser endlosen, höllischen Tortur kommst du zu mir und bindest die Seile anders. Jetzt habe ich Halt unter den Füßen, endlich. Ich versuche, mich zu beruhigen, meinen Atem zu normalisieren, sonst kollabiere ich. Was ist denn los? Habe ich das nicht gewollt? Totale Auslieferung? Hingabe, Vertrauen, Leidenschaft, Nähe.

Jetzt bin ich ausgeliefert, also was soll das Gejammer? Es ist diese Kälte. Es ist die Gewissheit, dass ich nur ein Objekt bin. Sonst nichts.

»Was bist du?«, hast du mich heute zig Mal gefragt.

»Ich bin eine dreckige Schlampe«, habe ich antworten müssen. »Und?«

»Und sonst nichts«, habe ich immer wieder geantwortet.

»Eben. Sonst nichts.«

Das ist kein Spiel. Das ist Ernst. Ich muss hier raus, und ich kann nicht gehen. Ich hätte auf Annika hören sollen. Sie hat mich gewarnt, so eindringlich. »Ich hasse dieses Monster«, hat sie gesagt. »Er ist so kalt, dass du frierst, wenn du an ihn denkst«, hat sie gesagt. »Er spielt mit allem, mit deinem Körper, mit deinen Emotionen und mit deiner Seele«, hat sie gesagt.

Warum habe ich nicht darauf gehört? Warum hatte ich das Gefühl, bei mir, bei uns, sei es anders? Warum hat meine Intuition mich so getrogen? Warum habe ich mir einbilden können, dass ich dich ebenso fasziniere wie du mich? Warum berührst du meine Seele? Warum verletzt du sie? Warum, warum.

Noch immer hänge ich in den Seilen. Der Rohrstock peitscht meine Schenkel. Rechts links. Noch einmal. Wieder.

»Ich liebe den Rohrstock«, hast du gesagt.

Ja, das merke ich. Immer und immer wieder. Mein Kopf ist gesenkt, mein Körper wund und abgestumpft. Geilheit? Verlangen? Nein. Nicht mehr.

Du nimmst mir die Augenbinde ab. Ich muss blinzeln, weil das Licht jetzt blendet, obwohl es nicht hell ist. Du gehst in die Küche und kommst mit einem Messer wieder. Es ist ein scharfes, blankes Messer mit langer, glatter Klinge. Ich schreie vor Schreck. Nein, das geht zu weit, das nicht, bitte, das nicht.

»NEIN!«

Du schlägst mir ins Gesicht. »Wenn du ganz stillhältst, passiert gar nichts.«

Ich zittere, kann das Zittern nicht abstellen, kann nicht aufhören, will schreien, aber ich wage es nicht. Mir ist schlecht. Ich glaube, ich muss kotzen.

Du führst die Klinge über meine Haut, einen Millimeter über der Oberfläche. Wenn ich nicht aufhöre zu zittern, wirst du mich verletzten. Mit weit aufgerissenen Augen verfolge ich den Weg des Messers, nur eine Haaresbreite über meinen Brustwarzen, an meinem Hals entlang, an den Armen, zwischen den Beinen. Ich schließe die Augen und versuche, mich zu entspannen. Du wirst es nicht tun, du wirst mich nicht verletzten, nicht so, bitte nicht. Du lachst. Es klingt höhnisch.

Ich öffne die Augen, du liegst auf dem Bett und rauchst. Ich will hier raus. Ich will das nicht. Ich kann das nicht. Du bist krank und ich werde dich nicht heilen können. Herrje, war ich blind und blöd. Lieber Gott, lass mich hier heil rauskommen.

Deine Hand. Tief. Eng. Tiefer. Zu eng. Du willst deine Hand reinschieben. Das habe ich mir gewünscht, du weißt das. Die Dankbarkeit ist wieder da. Ein wenig.

Nein, so geht es nicht, bitte nicht, nein, das halte ich nicht aus. Ich bin viel zu verkrampft, du musst es langsam tun, bitte, bitte nicht so! Ich kann nicht mehr atmen, ich schreie, keuche, winde mich, nein! Es zerreißt mich, ich kann es nicht ertragen, es ist wie eine Geburt, Déjà-vu, nein, nein, nein. Bitte, bitte nicht so, nicht so, nein, das ist zu schnell, zu brutal, bitte! Nein.

ROT!!!!

Ich habe das Codewort benutzt. Laut geschrien habe ich es.

Es ist vorbei. Du bindest mich los. Führst mich zum Bett. Nimmst mir die Hand- und Fußfesseln ab. Ich zittere, drehe mich auf die Seite, liege wie ein Embryo. Ich kann nicht mehr denken. Ich kann nicht mehr. Nimm mich doch in den Arm. Bitte. Warum tust du es nicht?

Wir reden, rauchen, ich weiß nicht worüber.

Irgendwann in der Nacht wache ich auf. Warum? Warum bin ich hier? Was ist in meinem Kopf los, was ist mit meinem Verstand? Immer wieder: warum?

Am Morgen trinken wir Kaffee im Bett. Ich versuche, mich normal zu benehmen. Nichts ist normal.

Wir gehen frühstücken, du hast einen Tisch bestellt. Ich bin müde, und essen kann ich auch nichts. Meine Knie schmerzen vom Kriechen und Knien in der Nacht. Mein Hintern ist übersät mit schmerzenden blutigen Striemen und blauen Flecken von deinen Hieben. Ich kann kaum sitzen, jede Bewegung tut weh.

Was bist du für ein Mensch? Was hast du gesucht, und was habe ich dir nicht geben können? Oder habe ich dir gegeben, was du gesucht hast? Wolltest du nur diese Macht? Die hattest du. Und was noch? Hatte Annika Recht? Bist du ein Aufreißer? Ein Spieler, ein gnadenloser Spieler? Ich weiß es nicht. Ich bin froh, dass du mich am Bahnhof vor der Tür aus dem Auto steigen lässt und mich nicht zum Gleis begleitest. Ich will alleine sein. Nachdenken. Im Zug habe ich Zeit.

»Hast du es genossen?«, hast du irgendwann gefragt. Ich habe spontan »Ja« gesagt. Und ich habe gelogen. Oder nicht?

Das ist das Schlimmste, das verwirrt mich. Ich habe genossen, trotz Rot. Irgendetwas hat mich trotz allem fasziniert. Ich hasse mich dafür. Ich kann es nicht erklären.

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